Folder Labelguide DEUTSCH TEXT

 

Redaktion

IMPRESSUM

 

Jon Andrea Florin, Herbert Hamele, Cornelia Kühhas, Antje Monshausen

Labelanalyse

Herbert Hamele (ECOTRANS e. V.)

Grafische Gestaltung

Hilde Matouschek | www.officina.at

Fotos

brgfx / freepik (S. 14/15), Slim Emkee / unsplash (S. 42), Cornelia Kühhas (S. 8), Cheikh Tidiane

 

Ndiaye / unsplash (S. 10), Jakob Owens / unsplash (S. 7), rawpixel & macrovector / freepik (Cover),

 

Ihsan Rosnizna / unsplash (S. 4), Volker Schmidt (S. 45)

Erscheinungstermin

März 2023 (4. aktualisierte Auflage; Erstauflage 2012), Druck- und Schreibfehler vorbehalten.

Herausgeber ©

Naturfreunde Internationale

 

Tel.: +43 (0)1 8923877-0, E-Mail: office@nf-int.org

 

Tourism Watch I Brot für die Welt – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.

 

Tel.: +49 (0)3065211 1807, E-Mail: tourism-watch@brot-fuer-die-welt.de

 

ECOTRANS e. V.

 

Tel.: +49 (0)175 5724849, E-Mail: contact@ecotrans.de

 

fairunterwegs

 

Tel.: +41 (0)61 261 47 42, E-Mail: info@fairunterwegs.org

Transparenzhinweis

ECOTRANS ist Mitgründer von GSTC (sowie Vorstandsmitglied bis 2015), Vorstandsmitglied

 

für internationale Fragen von ECOCAMPING sowie Mitglied des unabhängigen Zertifizierungs­-

 

rats von TourCert und berät seit vielen Jahren Zertifikate zu deren Standardentwicklung.

 

Tourism Watch I Brot für die Welt ist Mitglied des unabhängigen Zertifizierungsrats von TourCert.

Druck

Gugler GmbH, A-3390-Melk / Donau, www.drucksinn.at

 

– produziert nach den Richtlinien des Österreichischen

 

 

Umweltzeichens, Gugler GmbH, UW-Nr. 609, www.gugler.at

 

 


 

Eine griffige Entscheidungshilfe im touristischen Label-Dschungel

 

Immer mehr Menschen achten bei ihren Konsumentscheidungen auf Nachhaltig-keit  – auch bei der Urlaubsplanung. Orien-tierung können Gütesiegel bieten. Allerdings gibt es weltweit über 200 Labels, die ein breites Spektrum an Tourismusangeboten auszeichnen – von Unterkünften über Reise­ anbieter, Strände, Naturschutzgebiete bis hin zu Regionen. Die Zertifizierungen ziehen unterschiedlichste Kriterien heran. Wer kann hier noch den Überblick behalten?

Um Reisenden die Orientierung zu erleich-tern, haben wir touristische Nachhaltig-keitslabels unter die Lupe genommen. Wir stellen Ihnen ausgewählte Gütesiegel vor, die eine hohe Qualität garantieren, weil sie ein breites Nachhaltigkeitsspektrum ab-decken, unabhängig sind und international anerkannten Standards entsprechen. Diese Labels zeichnen Urlaubsangebote aus, die Menschenrechte respektieren, natürliche Ressourcen und das Klima schonen und der Bevölkerung in den Destinationen einen Nutzen bringen.

 

Achten auch Sie bei der Urlaubsbuchung auf Gütesiegel! Dadurch haben Sie nicht nur eine gute Reise, sondern tragen auch dazu bei, dass auch die Menschen am Urlaubsort vom Tourismus profitieren sowie Natur und Umwelt geschützt werden.

 

Unter tourismus-labelguide.org ist dieser Wegweiser auch online verfügbar. In der digitalen Ver-sion werden weitere Gütesiegel vorgestellt


 

 

Warum soll ich beim Buchen auf anerkannte Nachhaltigkeitslabels achten?

Reisen bedeutet Begegnung mit Menschen, das Kennenlernen anderer Kulturen und das Erleben einzigartiger Natur. Der Tourismus zählt weltweit zu den wichtigsten und am schnellsten wachsenden Wirtschaftszwei-gen. Unbestritten bietet er Verdienstmög-lichkeiten und wirtschaftliche Perspektiven, auch in Ländern des Globalen Südens.

 

Doch die weltweit boomende Reisetätigkeit hat ihre Schattenseiten. Die Urlaubsflüge heizen das globale Klima auf. Natürliche Ressourcen werden übernutzt, was Öko-systeme unter Druck setzt und Konflikte schürt. Das gilt insbesondere fürs Wasser, das vielerorts ein knappes Gut ist – der Klimawandel verschärft das Problem zu-sätzlich. Viele Städte, Sehenswürdigkeiten und Strände sind bei Reisenden so beliebt, dass die lokale Bevölkerung leidet. Steigende Mieten und die Schließung von Geschäften für den Alltagsbedarf sind typische Folgen von „Overtourism”. Durch den Bau von Hotel­ komplexen werden Einheimische von den Stränden vertrieben, die lokale Fischerei wird eingeschränkt, die neu geschaffenen Jobs sind oft prekär, Frauen und Kinder werden diskriminiert, bis hin zur sexuellen Ausbeutung.

 

 

Eine nachhaltige Aus-richtung des Touris-mus stellt sicher, dass die Menschen fair behandelt wer-den und unsere Erde lebenswert bleibt – ganz im Sinne der „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen. Diese formuliert 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Welt (Sustainable Development Goals, SDGs)  – von der Bekämpfung der Armut über den sorgsamen Umgang mit den natür­ lichen Ressourcen bis hin zur Friedenssicherung

 

Bewusste Reiseentscheidungen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung

 

Ihnen ist Nachhaltigkeit wichtig, Sie kaufen Produkte, die unter Achtung der Menschen-rechte und der Umwelt hergestellt werden? Auch bei der Wahl Ihrer Urlaubsangebote können Sie sicherstellen, dass soziale und ökologische Standards eingehalten werden.

Dabei bieten seriöse Gütesiegel eine Ent-scheidungshilfe. Jedoch ist die Qualität der Tourismuslabels sehr unterschiedlich. Oft ist nicht klar ersichtlich, was genau die Labels auszeichnen und wer sie vergeben hat.

 

Als Faustregel gilt: Je umfassender ein Label die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit im Blick hat und die Anliegen der gastgebenden Bevölkerung berücksich-tigt, desto mehr kann es zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Richtig glaubwürdig wird ein Label, wenn die Zertifizierungs-kriterien offengelegt werden und deren Einhaltung von einer unabhängigen Stelle überprüft wird.

 

Unser Wegweiser unterstützt Sie dabei, Ihre nächste Urlaubsreise nachhaltig zu gestalten.


 

Wie wurden die Labels für diesen Wegweiser ausgewählt?

 

Wir haben für Sie 24 touristische Nachhal-tigkeits-Gütesiegel genauer unter die Lupe genommen. Sie wurden aus den über 200 weltweit existierenden Labels nach diesen drei Kriterien ausgewählt:

 

Erstes Kriterium: Umfassende Nachhaltigkeit

 

Nachhaltiger Tourismus schont die Umwelt und die natürlichen Ressourcen, ist fair gegenüber den Gastgeber*innen und den Mitar-beitenden, eröffnet Chancen für die regio-nale Wirtschaft und berücksichtigt kulturelle Identitäten. Je konkreter und umfassender ein ­Label die Aspekte Umwelt, Soziales, Wirtschaft und Kultur berücksichtigt, desto wirksamer kann es zu einer nachhaltigen Entwicklung des Tourismus auf regionaler und globaler Ebene beitragen – und damit die Er-reichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen unterstützen

 

Wir stellen Ihnen Labels vor, deren Zerti­ fizierungskriterien Nachhaltigkeit umfassend abbilden. Die Palette reicht von Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz – wie der effiziente Einsatz von Energie und Wasser, die Nutzung erneuerbarer Energiequel-len, Abfallvermeidung etc. – über soziale Aspekte  – wie die Einhaltung der Menschenrechte, die Sicherstellung von fairen Arbeits-bedingungen für die Mitarbeitenden im eige-nen Betrieb ebenso wie in Partnerbetrieben, die Gleichstellung von Frauen, die Partizipation der lokalen Bevölkerung und der Schutz von Kindern – bis hin zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und dem Erhalt des kulturellen Erbes in den Destinationen

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Zweites Kriterium: Glaubwürdigkeit

Die Kriterien sind öffentlich einsehbar und ihre Einhaltung wird unabhängig vor Ort überprüft.

 

Drittes Kriterium: Verbreitung

 

Es werden Gütesiegel präsentiert, die Beher-bergungsbetriebe, Campingplätze, Reisever­ anstalter und Destinationen auszeichnen. Bei der Auswahl der Labels wurde ihre Ver-breitung ebenso wie ihre Marktabdeckung berücksichtigt.

 

Die 24 vorgestellten Labels decken mit 12.000 Betrieben und Destinationen rund zwei Drittel des derzeitigen weltweiten Angebotes an zertifizierten umweltverträglichen und sozial verantwortlichen Reiseangeboten ab

Daneben existiert – vor allem in Europa – eine Reihe von Labels, die auf ökologische Kriterien fokussieren. Wir stellen Ihnen auf Seite 40 zehn weitere bekannte Labels mit guten Nachhaltigkeits- oder zumindest ho-hen Umweltstandards vor, die unabhängig geprüft und daher glaubwürdig sind.

Ab Seite 42 erfahren Sie darüber hinaus, wie Sie auf Buchungsplattformen seriöse nachhaltige Angebote finden können und was bei Kompensationen von Flugemissionen zu beachten ist (Seiten 44/45).


 

 

Was zeichnet die vorgestellten Labels aus?

Labels werden für touristische Betriebe und Dienstleistungen sowie für Destinationen vergeben. Sie weisen nach, dass die Anbieter freiwillig und über die gesetzlichen Vorgaben hinaus Maßnahmen umsetzen, die negative Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in den Reiseregionen möglichst vermeiden und damit insgesamt eine nachhaltige Tourismusentwicklung unterstützen.

 

Die Angaben zu den einzelnen Labels in die-ser Broschüre zeigen Ihnen auf einen Blick, wer hinter den Siegeln steht, welche Dienst-leistungen bzw. Destinationen ausgezeichnet werden, in welchen Ländern die Auszeich-nungen vertreten sind, ob sie international anerkannt sind und wo Sie nähere Informa-tionen zu den Zertifizierungskriterien finden.

 

Vergabeinstitution – Wer vergibt das Zertifikat?

 

Hier wird ersichtlich, welche Institution die Zertifizierung vornimmt und das Label ver-gibt. Dies kann eine staatliche Stelle, eine Non-Profit-Organisation, ein Tourismusver-band oder auch ein privates Unternehmen sein.

 

Unabhängige fachliche Begleitung – Wer steht hinter dem Zertifizierungs-system?

 

Hinter der Vergabeinstitution stehen meist weitere Organisationen, die bei der Fest­ legung der Kriterien und im Zertifizie-rungsverfahren mitwirken. Eine möglichst breite Beteiligung verschiedener Interessens­

gruppen aus Zivilgesellschaft, Behörden, Unternehmen und Wissenschaft ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal

 

Geltungsbereich - Wo wird zertifiziert?

Hier wird ausgewiesen, in welchen Ländern bzw. Erdteilen die Labels gelten. Nationale­ Gütesiegel können bei ihren Standards und Prüfverfahren die regionalen Besonder­ heiten besser berücksichtigen als länder­ übergreifende. Diese haben allerdings im internationalen Tourismusgeschäft oftmals eine höhere Bekanntheit.

 

Transparenz – Kann ich die Zertifizierungskriterien einsehen?

Damit Sie sich ein eigenes Bild von einem Label machen können, benötigen Sie Zugang

zu den Zertifizierungskriterien. Es gilt als gute Praxis, die geltenden Standards und Kriterien eines Gütesiegels vollständig und kostenlos zu veröffentlichen.

 

Prüfverfahren – Wer prüft die Einhaltung der Kriterien?

 

Die Glaubwürdigkeit eines Labels hängt stark von der Art der Kontrolle der Zeichennutzer­ ab. Am vertrauenswürdigsten ist eine Über-prüfung vor Ort durch unab­hängige Fach-leute im Rahmen einer Betriebs­besichtigung und der Einsicht in alle Unterlagen­. Aus Kostengründen führen manche Vergabe-stellen die Kontrollen selbst durch, andere überprüfen die eingereichten Unterlagen „am Schreibtisch“ und führen stichproben-artig Unternehmensbesuche durch. In die-sen Fällen ist eine zuverlässige Überprüfung nicht immer garantiert.

 

Zertifizierte Unternehmen & Destinationen – Wie groß ist das Angebot?

 

Je mehr Betriebe, Veranstalter und Destinationen durch ein Label ausgezeichnet sind, umso einfacher ist es für Reisende, nachhaltige Urlaubsalternativen zu finden.

 

Globale Anerkennung durch das Global Sustainable Tourism Council – GSTC

 

Qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitslabels im Tourismus werden vom „Global Sustainable Tourism Council – GSTC“ (Globaler Rat für Nachhaltigen Touris-mus) international anerkannt. Grundlage der Anerkennung ist ein Zertifizierungsstandard, der neben der ökologischen und ökono-mischen auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit vollständig berücksichtigt sowie ein transparentes Prüfverfahren durch unabhängige Gutachter*innen.

Hinweis

 

Die Informationen zu den Zertifikaten, die in dieser Broschüre beschrieben werden, kommen direkt von den Zertifizierungsprogrammen bzw. basieren auf Internetrecherchen. Die Angaben in dieser Broschüre beziehen sich auf Januar 2023. Alle Informationen und Änderungen zu den Nachhaltigkeitszertifizierungen im Tourismus werden regelmäßig auf der Internetplattform TOURISM 2030 (http://tourism2030.eu) aktualisiert (siehe auch Seite 41). ­Die Zertifikate nutzen dort gemeinsam die „Green Travel Maps“ zur Veröffentlichung ihrer ausgezeichneten Betriebe und Destinationen weltweit.


 

In diesem Guide fnden sich ­Zertifkate mit einem hohen Verbrei-tungsgrad. Auf natio-naler und regionaler Ebene gibt es viele weitere Zertifkate, die international weniger bekannt sind.

Kurzinformationen zu über 200 Gütesie-geln bietet der „Certifcation Quickfnder“ (https:// destinet.eu/resources/ tools/certifcation-quickfnder).

In Europa & Nordamerika gibt es bereits seit Jahrzehnten viele Zertifikate für nach-haltigen Tourismus. Bei den meisten handelt es sich um Ökolabels, ohne die soziale und wirtschaft­liche Dimension der Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen

In Lateinamerika gibt es viele nationale Initiativen zur Nachhaltigkeitszertifizierung. Eine Recherche in Bezug auf Ihr Reiseland lohnt sich, um Siegel zu finden, die hier wegen mangelnder internationaler Verbreitung nicht genannt sind.

In Afrika südlich der Sahara entwickelt sich in vielen Ländern eine lebendige Unternehmerszene für nachhaltigen Tourismus. In Ost- und Südafrika kommen lokal verankerte Nachhaltigkeitssiegel vermehrt zum Einsatz. Eine Recherche zum eigenen Reiseland lohnt sich deshalb

In Asien & Pazifik kommen vor allem international verbreitete Siegel zum Einsatz, weil der Kontinent bereits seit Langem Tourist*innen aus Europa und Australien begrüßt. Lokale Siegel sind wenig verbreitet.

 

 

24 Labels
10 weitere Labels

Travel Green Planet 2030 Initiative

Die Initiative zielt darauf ab, glaubwürdig zertifizierten nachhaltigen Tourismus welt-weit zu diversifizieren und zu stärken – und so zu einem Motor für die internationale nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 zu werden. Dazu müssen Nachhaltigkeitszerti-fikate immer bekannter und besser genutzt werden. Mit Unterstützung des COSME-Pro-grammprojekts der Europäischen Kommis-sion „European Tourism Going Green 2030“ (ETGG2030) werden Beherbergungsbetriebe, Campingplätze und Reiseveranstalter bei der Auswahl geeigneter Zertifikate unter-stützt. Damit soll das nachhaltige Touris-musangebot in Europa gestärkt werden.

Um die Nachfrage zu steigern, können Kund*innen über Reisebüros, Online-Bu-chungssysteme und Tourismusmarketing-organisationen auf zerti­ fizierte Reiseangebote zugreifen. Die Informa­ tionen können auch ­direkt an Verbraucher- und Um-weltschutzverbände gehen.

Zentrales Instrument ist der weltweit größte unabhängige Marktplatz für nach-haltigen Tourismus auf der Internetseite tourism2030.eu mit seinem „Certification Quickfinder“ und den „Green Travel Maps“.

Der Austausch von Informationen über zertifizierte Unternehmen durch die Travel Green Planet 2030 Initiative ist ein wichtiger Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel 12 „Verantwortungsvoller Konsum und Produktion“.

 

Zwischen Greenwashing und echter Lieferkettenverantwortung

 

Viele Reisende wollen nachhaltige Ange-bote buchen. Diesem Wunsch kommen auch immer mehr Reiseveranstalter und Buchungsplattformen nach und bieten den Kund*innen die Möglichkeit, sich ­nachhaltige Hotels und Ausflugsangebote anzeigen zu lassen. Doch nicht alles, was im Nachhaltigkeitsfilter erscheint, ist unabhängig überprüft und deckt alle Dimensionen der Nachhaltigkeit ab. Einige Reiseveranstalter arbeiten mit Unterkünften und Ausflugsanbietern, die über Nachhaltigkeitszertifikate nach internationalem GSTC-Standard verfügen. Dazu gehören mittlerweile die großen Reiseveranstalter wie TUI oder DER Touristik, bei denen die Anzahl der zertifizierten Hotels allerdings im unteren einstelligen Prozentbereich liegt

 

 

Erste­ Vorreiter-Unternehmen haben sich entschieden, dass alle angebotenen Unterkünfte ein unabhängig überprüftes, ganzheitliches Nachhaltigkeitszertifikat haben sollen. Wenn diese Reiseveranstalter auch noch ihr eigenes Unternehmen unabhängig begutachten lassen, können Sie sicher sein, dass Ihre Reise möglichst nachhaltig gestaltet ist. Da nicht in allen Urlaubsregionen glaubwürdige Zertifikate vorhanden sind, erreichen auch einige der Nachhaltigkeitspioniere nur eine Quote von zehn bis 20 Prozent zertifizierter Unterkünfte. Beim Veranstalter nachfragen lohnt sich. Ein Unternehmen, dem Nachhaltigkeit ­wichtig ist, freut sich über Ihr Interesse und kann Ihnen seine Strategie bei der Auswahl seiner Dienstleister*innen transparent er- klären. Vorsicht ist geboten, wenn Reise­ veranstalter und Online-Plattformen sich auf Selbstauskünfte verlassen! Der Marktführer booking.com und andere Buchungsunternehmen ermöglichen ihren Partnerbetrieben beispielsweise, eigene Angaben zum Nachhaltigkeitsengagement zu machen. Diese Angaben basieren nicht auf einer unabhängigen Überprüfung. Für die Kund*innen ist schwer ersichtlich, ob es sich um glaubwürdige und wirkungs­ volle Nachhaltigkeitsmaßnahmen handelt. Booking.com führt im Dezember 2022 beispielsweise ein knappes Drittel aller Unterkünfte­ in Deutschland als „Hotels für nachhaltigeres­ Reisen“ an.

 

Alles klimaneutral, oder was?

 

Der Tourismus verursacht jede 11. Tonne CO2 und ist damit einer der treibenden Faktoren für den Klimawandel. Aktuell werben im-mer mehr Unternehmen mit Zertifikaten für ­klimaneutrale Produkte – auch im Tourismus. Allerdings verursacht jede Hotelübernach-tung, jeder Ausflug und erst recht jede Flug-reise klimaschädliche Emissionen. Deshalb ist es wichtig, diese Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren und anschließend den unvermeidbaren Rest zu kompensieren. Das Problem ist, dass viele Unternehmen nur den zweiten Schritt gehen, ohne zuerst alle Bemühungen zur Emissionsreduktion auszuschöpfen. Im Falle eines Reiseveran-stalters bedeutet das zum Beispiel, dass alle Flugreisen unter 1000 Kilometer durch Bus-oder Bahnanreise ersetzt werden und an-stelle von Zubringerflügen die Bahn genutzt


wird. Die Anbieter von Zertifikaten zur Klima­ neutralität überprüfen zumeist nicht die Konzepte zur Einsparung von Emissionen, sondern verkaufen Klimaschutzzertifikate allein auf Grundlage der Emissionsmenge. So eine Kompensation ist kein Beitrag zu aktivem Klimaschutz, sondern ermöglicht die Beibehaltung klimaschädigender Ge-schäftsmodelle.

 

Kompensationsanbieter: Darauf sollten Sie achten

 

Nicht nur Unternehmen kaufen Klimazertifikate – auch Reisende können ihre nega tive Klimawirkung kompensieren, indem sie Emissionen einer Reise durch eine Spende an Projekte ausgleichen, in denen die gleiche Menge CO2 eingespart wird. Glaubwürdige Kompensationsanbieter erkennen Sie an diesen Merkmalen:

  • Die Klimaschutzprojekte entsprechen dem „CDM Gold Standard“. Er garantiert, dass Emissionen nachweislich, dauerhaft und unter Berücksichtigung strenger Richtlinien eingespart wurden.
  • Der zugrundeliegende Emissionsrechner berücksichtigt alle Klimaauswirkungen in Form von CO2-Äquivalenten – also auch die Auswirkungen anderer Klimagase und der Wolkenbildung beim Fliegen. Diese Wirkungen verdreifachen den reinen CO2-Austoß in etwa.

 

  • Der Anbieter macht darauf aufmerksam, dass Reduzieren wichtiger ist als Kompen-sieren und informiert über klimaschonen-dere Alternativen (z. B. Bus statt Flugzeug).

Die Zeitschrift Finanztest hat im November 2022 vier Anbieter umfassend und unabhängig untersucht. Atmosfair wird mit „sehr gut“ bewertet, Klimakollekte und Primaklima mit „gut“ und Myclimate Deutschland nur mit „ausreichend“.

 

Reduzieren geht vor Kompensieren

 

Eine Kompensation macht die negativen Auswirkun-gen Ihres Fluges nicht un-geschehen. Vermeiden Sie Flüge, zum Beispiel innerhalb Europas, voll-ständig. Ferne Destina­ tionen sollten Sie sel-tener und dafür für einen längeren Zeitraum besuchen.

 


 

Der Verein ECOTRANS ist ein Europäisches Netzwerk von Expert*innen und Organisationen, die gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung im Tourismus ein-treten, internationale Forschungs-und Entwicklungs-projekte durchführen und die Fachöffentlichkeit über vorbildliche Initiativen informieren. Zur Stärkung der Transparenz und der internationalen Zusammenarbeit hat ECOTRANS mit der Europäischen Umweltagentur und weiteren Partnerorganisationen das unabhängige Informations- und Netzwerkportal DestiNet.eu für nachhaltigen Tourismus entwickelt und führt dieses unter dem Namen Tourism2030 als eingetragene Partnerschaft für die Nachhaltigkeitsziele 2030 weiter.

 

 

www.tourism2030.eu | www.ecotrans.org

ECOTRANS e. V.

 

Hedwig-Dohm-Straße 22

 

D-66117 Saarbrücken

 

E-Mail: contact@ecotrans.de

 

Als weltweit tätiges Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland unterstützt Brot für die Welt Partnerorganisationen in knapp 90 Ländern rund um den Globus. Unter der Marke Tourism Watch engagiert es sich gemeinsam mit Partnern aus aller Welt für einen nachhaltigen, sozial verant-wortlichen und umweltverträglichen Tourismus. Der Informationsdienst Tourism Watch blickt alle drei Monate hinter die touristischen Kulissen und stellt die Menschen in den Destinationen in den Mittel-punkt. Die Vision einer friedlichen und gerechten Welt ohne Armut ist nur möglich, wenn eine grundlegende Wende im Tourismus erreicht wird.

 

 

www.brot-fuer-die-welt.de

www.tourism-watch.de

Brot für die Welt – Tourism Watch Caroline-Michaelis-Straße 1, D-10115 Berlin

E-Mail: tourismwatch@brot-fuer-die-welt.de

 

Die Naturfreunde Internationale (NFI) ist der Dach-verband der Naturfreunde-Bewegung und Mitglied der Green 10, einer Plattform der größten euro-päischen Umwelt-NGOs. Gemeinsam mit ihren 45  Mitgliedsorganisationen engagiert sie sich für eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt und Ge-sellschaft auf regionaler, nationaler und globaler Ebene. Mit dem Arbeitsbereich RESPECT setzt sich die NFI für einen Tourismus ein, der ökologisch, sozial und ökonomisch langfristig tragbar ist und die Globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals SDGs) unterstützt.

www.tourismus.nf-int.org | www.respect.at

respect_NFI | Naturfreunde Internationale

Viktoriagasse 6/1

A-1150 Wien

E-Mail: office@nf-int.org

 

fairunterwegs ist die Schweizer Non-Profit-Orga-nisation, die zeigt, wie Tourismus auch sein kann: fair, umweltfreundlich und mit berührenden Begeg-nungen. Dafür engagiert sich fairunterwegs zwei-fach: Zum einen animieren wir Reisende zum fairen Unterwegs-Sein, zum andern motivieren wir politisch Tätige zu einer nachhaltigen Tourismuspolitik. Der zewo-zertifizierte Verein besteht seit 1977, damals hieß er „arbeitskreis tourismus & entwicklung“.

 

www.fairunterwegs.org

fairunterwegs

Missionsstraße 21

CH-4055 Basel

E-Mail: info@fairunterwegs.org